Es kam natürlich wie es kommen musste: Friedliche Anti-G8 Demo, schwarzer Block, massives Polizeiaufgebot, schließlich krachts. Vom Ausmaß der Gewalt waren dann angeblich doch alle überrascht, obwohl es ein wochenlanges Vorgeplänkel gab, sowohl medial wie real. Maybritt Illner hatte in ihrer Sendung am Donnerstag die Gäste gefragt, wie hoch nach ihrer Einschätzung der Anteil der gewaltbereiten Demonstranten sein werde. Wer sich festlegen ließ, sagte was zwischen 1 und 5%. Glaubt man den Polizei-Zahlen, waren es eher 10%. Aber der Gdp-Sprecher Freiberg sagte ja schon bei Illner, es sei eine Zunahme der Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen zu verzeichnen.
Es wird viel über den gewaltsamen Protest geredet, aber irgendwie klingt es immer wie die Huhn-Ei-Diskussion: die Demonstranten sagen, die Polizei provoziere Gewalt, und die Staatsgewalt sagt, sie reagiere ja nur auf die Gewalt der Demonstranten. Manche meinen gar: die friedlichen Demonstranten sind schuld, weil sie sich nicht genug von der Gewalt distanzieren – so ähnlich bin ich dann wohl im Stadion auch schuld, dass in der Gegenkurve eine Rauchbombe gezündet wird, weil ich mich nicht genügend von diesen Hooligans distanziere, indem ich z.B. zu Hause bleibe. Der GdP-Sprecher hatte schon einen netten Vorschlag, wie Demonstranten beweisen können, dass sie friedlich sind: indem sie die Gewalttäter anzeigen. Sehr praktikabel: vermummte Steinewerfer geben ihren Mitdemonstranten bestimmt freizügig ihre Personalien, damit das mit dem Anzeigen auch klappt.
Eigentlich wollte ich in diese "Der hat aber angefangen"-Diskussion gar nicht einsteigen, sondern vielmehr bemerken, dass es zwar viele Schuldzuweisungen gibt, die Gewalt aber offenbar von allen Seiten als gegeben und um ihrer selbst Willen stattfindend gesehen wird. Niemand kommt auf die Idee, sich zu fragen, warum es immer mehr Menschen gibt, die jede Gelegenheit nutzen, um bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen? Ständig beteuert die Bundesregierung, sie beteilige sich lieber am "Nation Building" in Afghanistan als an Kriegseinsätzen, im eigenen Land verhält sie sich aber wie das amerikanische Militär im Irak: Gewalt kann nur durch Gewalt bekämpft werden. Dass von staatlicher Seite nichts im Sinne differenzierter Ursachenanalysen zu hören ist, mag daran liegen, dass man dann zugeben müsste wie nützlich die Gewaltexzesse Weniger eigentlich sind um die Grundrechte Vieler einzuschränken. Mehr stört mich, das von Seiten der Globalisierungskritiker auch nichts Vernünftiges zu hören ist, nur dieses ewige "Wir protestieren friedlich"-Mantra. Vielleicht mag man sich nicht eingestehen, dass die Gewaltexzesse eine gewisse mediale Aufmerksamkeit für den Protest sicherstellen. Aber was erwartet man auch von einer Protestbewegung, die einfach nur will, dass die G8 ihre Versprechen einhalten (Campino bei Illner). Erschreckt musste man bei Illner feststellen, dass der Einzige, der zu grundlegender Systemkritik ausholt, Heiner Geißler ist. Muss man jetzt etwa in die CDU gehen, wenn man was verändern will? Wenn als einzige Alternative dazu der bewaffnete Widerstand bleibt, dann weiß ich, was ich wähle…
DISCLAIMER (man weiß ja nie, welcher Verfassungschutz-Spider die Blogs scannt): Dies ist kein Gewaltaufruf. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Innenminister oder Polizeipräsidenten.
Montag, 4. Juni 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
6 Kommentare:
Schöne Analyse, daß die Gewalt vornehmlich denen dient, die sie am entschiedensten ablehnen, dafür 8.
Anlässlich des St. Pauli Spiels und der in den Folgetagen stattfindenen Aussenminister Konferenz habe ich das Polizeiaufgebot in HH gesehen. Und ich habe auch mitbekommen wie sie vorgegangen sind. Ich habe die Stimmung erlebt, das Verhalten beobachtet und die Atmosphäre geschnuppert. Mag sein, dass es nie eine derart hohe Gewaltbereitschaft des sog. schwarzen Blocks gegeben hat, allerdings habe ich auch nicht mal während der Chaos Tage 1995 solche Cops erlebt.
7 Punkte
Henne oder Ei ist eindeutig zu beantworten: das Ei. Es sei denn, die Kreationisten haben recht.
Öh, was war das Thema? Egal, 7 Punkte.
8 Punkte. Aktuelles Thema, gekonnt dargeboten.
Das ist doch mal was:
7 Punkte
schöner einstieg, weiter so: 7.
Kommentar veröffentlichen